Lass leuchten dein Angesicht

Ich kann die Fernseh-Bilder der verheerenden Erdbeben in der Türkei und in Syrien kaum ertragen – unvorstellbar, welches Leid und welche Schmerzen Menschen dort erleiden …

„Ich habe das Elend meines Volkes gesehen und ihr Geschrei gehört!“
Gott sagt das, als seine Menschenkinder unter der Gewaltherrschaft des Pharaos kaputtzugehen drohen. Gott hat gesehen und – so erzählt die Bibel – beauftragt Mose, diesem Elend ein Ende zu setzen.

Das ist lange her, sagt Ihr vielleicht. Alte Geschichten,
Erzählungen, die mit uns heute doch nichts zu tun haben.

Ja – alt sind die Geschichten schon – aber was sie über Gott sagen, das hat an Deutlichkeit und Aktualität nicht verloren:
Gott sieht – und es lässt ihn offensichtlich nicht gleichgültig, was er sieht.
Es ist ihm nicht egal, wie es seinen Menschenkindern geht.


Damals bekommt Gottes Sehen und Mitleiden ein menschliches Antlitz mit Mose.
Er führt sein Volk aus der Sklaverei in Ägypten.

Und heute?
Jeder Gottesdienst endet mit der Bitte an Gott, er möge uns sein Angesicht zuwenden – und ich möchte schreien und rufen: Ja, Gott! Wende dein Angesicht nicht ab, lass es über uns leuchten, lass von diesem Schein ein wenig auf unsere Gesichter fallen, damit wir einander sehen. Damit wir einander wahrnehmen, damit wir uns anrühren lassen von dem, was andere Menschenkinder erleben und ertragen.

Ob unsere Gesichter dazu bereit sind?
Ob sie bereit sind, vom Leuchten des Angesichtes Gottes etwas aufzunehmen?

Lass leuchten dein Angesicht über uns, Gott!

Leha Dodi

Ob unsere Gesichter dazu bereit sind?
Ob sie bereit sind, vom Leuchten des Angesichtes Gottes etwas aufzunehmen?

Oder wird es uns wie jenem Mann in dieser kleinen Geschichte ergehen:

Verstört stand er im Badezimmer vor seinem Spiegel – er sah – nichts. Was für ein Tag war heute? Hatte er etwas Entscheidendes vergessen? War gestern etwas passiert?

Nichts Besonderes fiel ihm ein – aber es blieb dabei: Sein Gesicht war weg. Er schaute in den Badezimmerschrank, er suchte unter dem Bett – vergeblich – sein Gesicht blieb verloren. Freunde hörten davon. Auch sie begannen zu suchen. Sie fragten ihn – er antwortete – immer wieder. Doch das Gesicht blieb verloren. Drei Tage später – sein Enkelkind besuchte ihn. Grade erzählte es davon, wie es draußen Streit gab mit den Spielkameraden und davon, wie sein Freund ihn verteidigt hatte – da war es wieder da, sein Gesicht. Der Mann staunte –

Woran erinnert Sie diese kleine Geschichte?

Meine ersten Gedanken gehen in den politischen Raum:
Ich denke an einen Herrscher Putin, der den Krieg immer weiter führt, um – ja, warum? Ja – vielleicht auch darum, um sein Gesicht zu wahren – und wenn es auch nur noch ein sehr entstelltes menschliches Antlitz ist.
Oder –
Ich denke an die Verteidigungsministerin, die ihrem Amt nicht gewachsen ist, und der nur der Rücktritt vom Amt bleibt, um nicht ihr Gesicht zu verlieren.

Vielleicht sind da auch Gedanken an den letzten Streit mit dem Partner, an Auseinandersetzungen in der Schule oder an noch anderes – Persönliches – von dem wir nur selbst wissen.

Wer sein Gesicht verliert, der verliert ein Stück weit sich selbst. Mit Gesichtsverlust droht der Verlust dessen, was uns ausmacht. Unser Gesicht kommuniziert dem anderen, wer wir sind und wie es uns geht. Unser Gesicht spricht auch ohne Worte. Wer sein Gesicht verliert, der ist für sein Gegenüber nicht mehr erkennbar.

Und wenn es dann doch passiert, dass wir unser Gesicht nicht wahren können?

So, wie es damals einem Petrus ergangen war – die Bibel erzählt davon: „Ich bin dein Freund“, sagt er zu Jesus, „ ich stehe zu dir, was auch immer kommt.“ Aber dann – wie jämmerlich: Als es hart auf hart kommt und es droht, dass er selbst verhaftet wird, da kneift Petrus: „Den da, der im Gerichtssaal steht, den kenne ich nicht.“ Dreimal passiert das – und es bleibt diesem Petrus nichts mehr als bitter zu weinen.

Das Gesicht verloren – aber Freunde gehabt, die ihn nicht fallen gelassen haben. Und dem begegnet, den er im Stich gelassen hatte, von Angesicht zu Angesicht: „Ich gebe dir dein Gesicht wieder“ sagt Jesus zu ihm. „Du bleibst mein Freund. Du wirst in Zukunft Menschen davon erzählen, wie es dir mit mir ergangen ist. Und du wirst anderen zur Seite stehen – wirst anderen suchen helfen bei ihrer Suche nach ihrem Gesicht, nach ihrem Selbst.“

Über diesen Jesus sagt die Bibel, es sei Gott selber, der dem Menschen Vis-a-vis – von Angesicht zu Angesicht – Frieden zusagt, auch Frieden mit sich selbst, Frieden mit dem, wer ich bin, mit Macken und Fehlern.

„Die Niedrigkeit seiner Magd hat er angesehen!“, jubelt eine Maria, als sie erfährt, dass sie Jesus zur Welt bringen soll.

Von Gott angesehen – wertgeschätzt und das verloren gegangene Gesicht wiedergefunden.

Wie das gehen soll?

Im menschlichen Antlitz des Freundes neben mir blickt mich Gott selber freundlich an, gibt mir mein verlorenes Zutrauen, mein Gesicht wieder.

Gottes Angesicht – es spiegelt sich wider im Gesicht des Freundes, des anderen Menschen mir gegenüber.

Wenn es dann doch geschehen ist, dass wir unser Gesicht verloren haben?

Dann ist es gut, dass jemand da ist, der uns dennoch in die Augen schaut, der seinen Blick nicht abwendet und uns alleine im Regen stehen lässt.
Dann ist es gut, Menschen zur Seite zu haben, die uns zuhören und die uns suchen helfen.

Ein Gott, der sieht, der wendet sein Angesicht nicht ab von seinen Menschenkindern.

Genau darum bitten wir ja am Ende eines Gottesdienstes:
„Der Herr lasse leuchten sein Angesicht über uns und sei uns gnädig. Er erhebe sein Angesicht auf uns und schenke uns Frieden!“

Gott ist für uns da, er umarmt das Schöne und das Hässliche,
das Liebenswerte und das Traurige.
Wo wir ihn in unsere Nähe kommen lassen, da geschieht Heil.

Gott, der sein Angesicht zuwendet, würdigt mich seines Blickes.
Und er beschenkt mich mit einem Mit-Menschen, den er mir an die Seite stellt.

Damit ich mein Gesicht wahren kann. Damit ich bereit bin für das leuchtende Angesicht Gottes über mir. So möge es sein! Amen!

Ins Neue Jahr …

Small-Music anstatt Small-Talk !!!

Musikalisches Neujahrstreffen
🎼🔔🪗🎺🕯🎻🎷🎶🎹💫
in der Biberburg

am 8. Januar 2023

Stimmgewaltig begrüßten wir im Kreis von Freunden mit Gitarren, Querflöten, Akkordeon, Klavier und Harfe das Neue Jahr. Wunderschöne Stunden voller Musik, fröhlichem Lachen
und leckerem Essen begleiten uns in ein Neues Jahr.

Nun geh der Weihnacht Freudenschein
mit uns ins neue Jahr hinein,
das Dunkel zu vertreiben !
Herr, schenk es uns in Deiner Gnad, dass wir auch auf dem neuen Pfad bei Dir, dem Lichte, bleiben !

Text: Käte Walter

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Gedanken zu Bonhoeffers Neujahrsgedicht – Schönklinik am 31.12.2022

Von guten Mächten, wunderbar geborgen, gehütet und getröstet wunderbar, so will ich diese Tage mit euch leben und mit euch gehen in ein neues Jahr. Viele werden dieses Gedicht von Dietrich Bonhoeffer kennen, er schrieb es 1944 im Gefängnis. Es wurde zu einem Kirchenlied, mehrfach vertont, fast immer zu Neujahr gesungen.

Aber dazu war es nie gedacht. Es war ein ganz persönlicher Brief an Freunde und an die Familie. Er hat es nicht an seine Gemeinde geschickt, sondern an spezielle Menschen, die ihm etwas bedeutet haben.

Und er, der sich sein ganzes Leben lang mit Christologie und Jesus Christus beschäftigt hat, redet zuerst nicht von Jesus, nicht von Christus, nicht von Gott, sondern von guten Mächten. Wer sind diese guten Mächte? 

Wer seine Bücher über die letzten und vorletzten Dinge gelesen hat der ahnt, dass er mehr damit meint als jenseitige letzte Mächte. Er weiß sich auch getragen von den vorletzten Dingen.

Insbesondere von seiner Familie. Er weiß sich getragen von seinen Freunden. Das Gefängnis in dem er seit einem halben Jahr einsitzt ist nur äußerlich. Natürlich vermisst er die vielen Menschen, mit denen er sich sonst getroffen hat. Er vermisst sicher auch seine Bibliothek, so dass er seine Ethik nicht weiter schreiben kann. Er darf nur wenig Besuch empfangen und kann nur das zu Papier bringen, was in seinem Kopf ist und in den wenigen Büchern, die man ihm mitgebracht hat.

Aber er weiß, was er seiner Familie zu verdanken hat, dem liberalen kritischen Vater, der praktisch denkenden Mutter, der frommen Großmutter. Alle haben ihn geprägt. Mit allen Gedanken hat er sich auseinandersetzen müssen und von allen hat er gelernt. Die guten Menschen, die ihn gefördert und geprägt haben.

Wie die Mächte heißen spielt eigentlich keine Rolle. Das ist sicher auch der Gott Jahwe, von dem es heißt, dass er uns vom Mutterleib an zubereitet hat. Aber auch Buddha, der tröstet, im Leid hilft und sterbende ins Nirwana geleitet.  Auch Shiva der Erneuerer, der die Welt immer wieder verändert. Entscheidend ist der tröstliche Gedanke: Ich bin behütet und geborgen. Es ist kein Schicksal, kein Kismet, was über uns steht und uns beherrscht.

Es ist der gute Geist, der uns die Freiheit führt, den uns selber entscheiden lässt, wie wir unser Leben gestalten wollen.  Wir sind nicht, wie Sartre sagt, zur Freiheit verdammt, sondern zur Freiheit berufen. Für ihn bleibt, um mit Freunden und Familie zu leben, nur dieser Brief. Zeit ihn zu entwerfen hatte er wahrscheinlich im Überfluss. In den Strophen führt er aus, wie er sich getragen weiß im Leid und in der Freude, in der Freiheit und im Gefängnis, alleine und mit den Freunden.

Als ich dieses Gedicht zum ersten Mal gelesen hab, wusste ich nicht, dass es schon eine Vertonung gab. Heute findet man in manchen Gesangbücher sogar zwei Vertonungen eine etwas kitschige und eine sehr altertümlich anmutende. Ich hab damals selber eine Melodie gesucht, die zu dem Gedicht passt.  Die Melodie stammt von einem alten Beerdigungslied der Schwarzen aus Amerika und wenn man bedenkt, dass das für ihn das letzte Gedicht war, was er wahrscheinlich geschrieben hat, ist vielleicht die Melodie sogar passend.

Erst in der letzten Strophe benutzt er das Wort Gott, der am Morgen und am Abend bei uns ist und sicher auch am Morgen und am Abend unseres irdischen Lebens. Er sieht gute Mächte überall am Werk, mitten im Terror seiner Zeit. Und genauso kann man heute gute Mächte am Werk sehen. Wir sehen nicht nur das Grauen im Iran, in Syrien und in der Ukraine. Wir sehen auch Mut und Hilfsbereitschaft. Wir erwarten getrost was kommen mag, denn wir sind von guten Mächten getragen.

Himmel und Hölle – Gottesdienst in Süsel am 19.6.2022

Die Hölle von Irpin. Hier wurden im April 200 Zivilisten auf brutalst Weise gefoltert und umgebracht. Die Hölle von Srebenica. Hier wurden alle männlichen Einwohner erschossen. Die Hölle von Ausschwitz. Massenmord geplant und ausgeführt.

In unseren Nachrichten und Geschichtsbüchern taucht das Wort Hölle immer häufiger auf, es wird gerade inflationär benutzt.

Im Gegensatz dazu wird das Wort auf er Kanzel aus gutem Grund nicht mehr benutzt. Zu lange hatten die Kirchen mit der Angst vor der Hölle Schindluder getrieben und den Gutgläubigen das Geld aus der Tasche gezogen.

Umso mehr erstaunt es, das Jesus im heutigen Bibeltext von Himmel und Hölle redet, als sei das gar kein Problem. Als ich meiner Frau sagte, dass der heutige Bibeltext davon handelt, meinte sie, ich könne ja auch für so eine Vertretung etwas anderes auswählen. Aber ich versuche gerne mich solchen Herausvorderungen zu stellen. Ich habe dann erst mal versucht herauszufinden, woher diese Vorsellung kommt.

Der Gedanke eines Lebens nach dem Sterben hat sich erst langsam im jüdischen Glauben entwickelt.

In den ältesten Psalmen heißt es noch: Wie kann ich Gott loben, wenn ich in die Grube fahre. Also in heutigem Deutsch: Gott lass mich am Leben, sonst hast du einen follower weniger bei Instagramm. In der Auseinandersetzung von Jesus mit den Schriftgelehrten wird dieser Wandel noch deutlich. Die Schriftgelehrten verneinen auf Grund der alten Texte ein Leben nach dem Tode. Jesus sagt, das es nach dem Tode alles anders sein würde als auf Erden, aber Gott auch dann zu seinem Bund steht. In der weiteren Entwicklung des jüdischen Glaubens, hat sich immer mehr die Vorstellung durchgesetzt, dass Gott auch nach dem Tode zu uns steht.

In unserer heutigen Geschichte ist aber gar nicht vom Himmel direkt die Rede, sondern vom Leben in Abrahams Schoss. Also man geht – wie das in vielen Religionen und Kulturen der Welt gelehrt wird – zu seinen Ahnen, zu seinen Vorgängern, die diese Welt verlassen haben. In dem Spiritual, was wir gerade gesungen haben ist dies so wunderschön formuliert:“Wenn du zuerst von dieser Welt gehst, sage allen meinen Freunden dort, dass ich bald nachkomme. „

Aber mit der Vorstellung eines Lebens nach dem Tode, wurde Gottes Gerechtigkeit zum Problem – sollte auch ein Hitler, ein Stalin, ein Pol Pot, ein Molosovic so einfach in Abrahams Schoss gelangen. Ich habe den letzten Namen in der Reihe, den wahrscheinlch viele erwartet hattet bewusst nicht genannt. Wer noch hier lebt hat immer noch die Chance, dass er oder die Situation alles verändert. Und um der Gerechtigkeit Gottes zum Sieg zu verhelfen übernahm man aus anderen Religionen die Vorstellung eines Raums, wo die Verbrechen der Menschen bestraft werden.

Nach Lukas hat Jesus diese Geschichte so erzählt:

19 Es war aber ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und kostbares Leinen und lebte alle Tage herrlich und in Freuden. 20 Ein Armer aber mit Namen Lazarus lag vor seiner Tür, der war voll von Geschwüren 21 und begehrte sich zu sättigen von dem, was von des Reichen Tisch fiel, doch kamen die Hunde und leckten an seinen Geschwüren. 22 Es begab sich aber, dass der Arme starb, und er wurde von den Engeln getragen in Abrahams Schoß. Der Reiche aber starb auch und wurde begraben. 23 Als er nun in der Hölle war, hob er seine Augen auf in seiner Qual und sah Abraham von ferne und Lazarus in seinem Schoß. 24 Und er rief und sprach: Vater Abraham, erbarme dich meiner und sende Lazarus, damit er die Spitze seines Fingers ins Wasser tauche und kühle meine Zunge; denn ich leide Pein in dieser Flamme. 25 Abraham aber sprach: Gedenke, Kind, dass du dein Gutes empfangen hast in deinem Leben, Lazarus dagegen hat Böses empfangen; nun wird er hier getröstet, du aber leidest Pein. 26 Und in all dem besteht zwischen uns und euch eine große Kluft, dass niemand, der von hier zu euch hinüberwill, dorthin kommen kann und auch niemand von dort zu uns herüber. 27 Da sprach er: So bitte ich dich, Vater, dass du ihn sendest in meines Vaters Haus; 28 denn ich habe noch fünf Brüder, die soll er warnen, damit sie nicht auch kommen an diesen Ort der Qual. 29 Abraham aber sprach: Sie haben Mose und die Propheten; die sollen sie hören.

Und wenn Jesus sich dann im Kreise seiner Zuhörer umsah, war da mit 99% Sicherheit keiner in Purpur gekleidet, der immer nur sorgenlos und in Freude lebte. Aber seine Zuhörer kannten solche Menschen und hofften, dass diese Warnungen eines Tages auch die Reichen im Land ereichen würden, so wie sie es bei Johannes dem Täufer erlebt hatten. Vielleicht waren um ihn einige arme kranke Bettler, aber die meisten Menschen waren sicher irgenwo dazwischen, weder besonders reich o der extrem arm – vielleicht wie wir?

Für uns stellt sich doch die entscheidende Frage: Sind wir reich oder arm. Wir kleiden uns zwar nicht in Purpur, aber schicke Mode tragen wir gerne. Aber wir liegen auch nicht krank vor der Türe der Reichen.

Wir schimpfen über die Ausbeutung durch die Ölkonzerne und die hohe Inflation. Aber wie reich oder arm sind wir eigentlich?

Die Daten der Wirtschaft sprechen ein deutliches Bild. Das Monatseinkommen weltweit beträgt 730€ ca 200kg Brot (in Kaufkraft um gerechnet) pro Person – eigentlich ausreichend für alle. Aber es ist sehr unterschiedlich weltweit: Im ärmsten Land , Afganistan, sind es 36€ ca 10 kg Brot, in Deutschland 3550€ ca 1000kg Brot und auf den Bermudas 8170€ ca 2150kg Brot.

Weltweit gesehen sind wir also eher reich, aber natürlich gibt es auch bei uns riesige Unterschiede vom Bezieher des Grundeinkommens bis zum monatlichen Einkommensmillioär.

Der Himmel als Abrahams Schoss, also bei den Ahnen seines Volkes und die Hölle als Ort der Pein. Aber kein moralisches Urteil über den Reichen. Die Brüder lebten genauso, dies lässt doch vermuten, dass der Reiche schon so aufgewachsen war und viel ererbt hat. So wie viele von uns bereits in dem reichen Land geboren und aufgeaschsen sind. Er lässt Lazarus vor seiner Tür nicht verhungern, aber er bittet ihn eben auch nicht an seinen Tisch. Die Geschwüre könnten ja ansteckend sein. Die Corona-Angst in manchen Kirchen hier im Kreis lässt grüßen.

Diese Geschichte ist keine prophetische Schau, was einmal sein wird , sondern eine deutliche Warnung an Jesu Zuhörer und an uns: Fühlt euch in eurem Reichtum blos nicht so sicher. Und wenn ihr ganz Afrika das Impfserum verweigert, wundert euch nicht, dass der Kontinent euch in Europa heute auch nicht unterstützt. Und Gas und Ölleitungen lassen sich auch schnell abedrehen. Wenn jetzt das knappe Getreide bei uns ans Vieh verfüttert wird für unsere Steaks, werden die Hungernden in der Welt uns sicher nicht bei unseren sonstigen Problene helfen.

Solidarität zwischen Staaten, Mitgefühl und Hilfe vor Ort wird allen zu gute kommen. Oder wie sich Jesus mal so nett äußerte: Dann macht euch doch wenigstens Freunde mit dem schnöden Mammon, statt ihn zu horten und zu sichern.

Ich stelle mir vor, dass Jesus heute diese Geschichte, wenn er den Mißbrauch des Begriff Hölle in der Kirchengeschichte gesehen hätte, diese etwa so beschrieben hääte, wie in dem kleinen russischen Märchen:

Ein Rabbi kommt zu Gott: „Herr, ich möchte die Hölle sehen und auch den Himmel.“ – „Nimm Elia als Führer“, spricht der Schöpfer, „er wird dir beides zeigen.“ Der Prophet nimmt den Rabbi bei der Hand.

Er führt ihn in einen großen Raum. Ringsum Menschen mit langen Löffeln. In der Mitte, auf einem Feuer kochend, ein Topf mit einem köstlichen Gericht. Alle schöpfen mit ihren langen Löffeln aus dem Topf Aber die Menschen sehen mager aus, blass, elend. Kein Wunder: Ihre Löffel sind zu lang. Sie können sie nicht zum Munde führen.Das herrliche Essen ist nicht zu genießen.

Die beiden gehen hinaus: „Welch seltsamer Raum war das?“ fragt der Rabbi den Propheten. „Die Hölle“, lautet die Antwort.

Sie betreten einen zweiten Raum. Alles genau wie im ersten. Ringsum Menschen mit langen Löffeln. In der Mitte, auf einem Feuer kochend, ein Topf mit einem köstlichen Gericht. Alle schöpfen mit ihren langen Löffeln aus dem Topf.

Aber – ein Unterschied zu dem ersten Raum: Diese Menschen sehen gesund aus, gut genährt, glücklich. „Wie kommt das?“ Der Rabbi schaut genau hin. Da sieht er den Grund: Diese Menschen schieben sich die Löffel gegenseitigin den Mund. Sie geben einander zu essen.

Hier sieht man, Hölle ist nicht der Ort wo Gott straft, sondern wo Menschen einander jede Hilfe versagen, wo Menschen nur an sich und ihren Vorteil denken.

Unser heutiger Bibeltext ist keine Vorhersage, sondern ein Warnung. Im Gegensatz zur Drohung mit der Hölle tritt die Warnung und jeder hat die Möglichkeit die Warnungen zu beachten. Ich wünsche diese Achtsamkeit Ihnen und mir um eines Tages – aber hoffentlich nicht so bald – von den Engeln in Abrahams Schoss getragen zu werden.

Für einen Menschenfreund

Am 7.Dezember d.J. verstarb Horst Nolte, ein langjähriger Freund und treuer Begleiter meines Lebens und meiner Arbeit in Bega. „Ja, ich will euch tragen bis zum Alter hin, und ihr sollt einst sagen, dass ich gnädig bin!“ Dieses wunderschöne, hoffnungsvolle Lied von Jochen Klepper hat Horst sehr geliebt. Für ihn haben wir es aufgenommen.

„Oh when the Saints go marching in … dann wird der Horst bestimmt dabei sein!“

Gott befohlen!

WINTERBLUMEN

Vom Aufatmen in dunkler Zeit

Mit diesem Versprechen nahmen Dorothea Brand und Wolfgang Kummerfeldt zahlreiche Zuhörer, die sich am Samstagabend in der Kirche zu Bega eingefunden hatten, mit auf eine musikalische Reise durch verschiedene Länder. Harfe, Gitalele und Gitarre klangen wunderbar zusammen und waren eine stimmungsvolle Begleitung zu unterschiedlichsten Liedern.

Nachdenkliche und poetische Liedertexte, lyrische, aber auch durchaus fetzige Melodien verzauberten und schufen eine lichtvolle Atmosphäre jenseits des Alltags.

Das Begrüßungslied des letzten Weltgebetstags „Seid willkommen“ aus dem Inselstaat Vanuatu stand am Anfang des Konzertes. Dorothea Brand spielt eine keltische Hakenharfe, die durch Umstellen der Haken das Spiel in unterschiedlichen Tonarten ermöglicht. Die keltische Harfe ist das Nationalinstrument von Schotten und Iren und so trug das Duo entsprechend irische und keltische Songs vor, vielen bereits bekannt durch die Gruppen Sallys Garden oder die Dubliners.

„Herr Winter kommt vom Kaukasus“ ist ein Protestlied der deutschen Band „In Extremo“ gegen die Diktatur und damit durchaus aktuell, mit „Wer kann segeln“ gab es einen Abstecher nach Schweden und ein besonderes Lied war „Dat Kelbl“, in jiddischer Sprache. Das „Halleluja“ von Leonard Cohen, einem kanadischen Dichter und Songwriter bildete den eindrucksvollen Schluss des Liedervortrags. Instrumentalstücke schufen Nähe zur Natur und zu den Jahreszeiten – beispielsweise „Fluss und Meer“ oder „ First Snow“. Harmonisch fügten sich zwei von Dorothea Brand vorgetragene tiefsinnige Erzählungen in die Musik ein.

Der Beifall des Publikums war herzlich und einige Zuhörer nutzten die Gelegenheit, während der Pause und nach dem Konzert mit Dorothea Brand als der langjährigen und noch vertrauten Pfarrerin der Kirchengemeinde Bega ins Gespräch zu kommen.

Wer Samstag keine Zeit hatte, das Konzert zu besuchen, hatte am Sonntag Gelegenheit, einen musikalischen Gottesdienst zu erleben. Auch hier präsentierten Dorothea Brand und Wolfgang Kummerfeld sowohl Instrumentalstücke als auch zum Thema des Gottesdienstes passende Lieder – besonders schön: ein gesungenes Glaubensbekenntnis aus Irland.

Inhalt der Predigt war – mit Bezug auf den Text des kommenden Weltgebetstages – die Stelle aus dem Buch des Propheten Jeremia, in der er die Exilsituation des Volkes Israel beschreibt und tröstliche Worte für dessen Zukunft findet. Zusage und Trost, das sind Dinge, die jeder von uns in unterschiedlichen Lebenssituationen gebrauchen kann und die, so Frau Brand, gerade in der vor uns liegenden Passions- und Osterzeit wirksam werden sollen. Annelie Brandt von Lindau


HOFFNUNGSSCHIMMER

FLUSS UND MEER

PREDIGT zu Jeremia 29

Zusammenfassung unseres 2-jährigen Enkels:
„Alles dunkel – Geisterlicht kommt!“ Genial!!

Friede sei mit Euch!

Liebe Frauen und Männer, liebe Schwestern und Brüder,

 „Kaffee?“, frage ich den Soldaten, der bei mir im Türrahmen steht. „Gern“,  schallt es zurück. „Milch, Zucker?“ – „Schwarz bitte. Wie meine Seele.“

Die Begegnung liegt viele Jahre zurück und doch hat sie sich tief in mein Gedächtnis eingeprägt. Manchmal sind es die kleinen alltäglichen Dinge, die einem den Blick öffnen.

„Kaffee?“, frage ich den Soldaten, der bei mir im Türrahmen steht. „Gern“,  schallt es zurück. „Milch, Zucker?“ – „Schwarz bitte. Wie meine Seele.“

Wie oft habe ich das schon gehört. Und eigentlich habe ich mir dazu noch nie richtig Gedanken gemacht.

Warum sollte die Seele schwarz sein?

Karfreitag fällt mir ein. Menschen, wie sie mit schweren Schritten Richtung Golgatha gehen  – dem Hügel der Kreuzigung Jesu. Tränen in den Augen. Hoffnungslos. Denn der, dem sie gefolgt waren, war tot. Auf den sie ihre ganze Hoffnung gesetzt hatten, lebte nicht mehr.

Bilder aus dem ersten Lockdown sind mir vor Augen – in Italien werden Leichen auf Lastwagen abtransportiert und Bestatter kommen mit dem Beerdigen nicht nach.

In Altenheimen und Krankenhäusern sterben Menschen alleine.

Familien in kleinen Wohnungen stehen vor dem Kollaps.

Vieles ließe sich hier weiterführen …
Schwarz – aussichtslos – vorbei! Wenn ich schwarz sehe, dann – sehe ich nichts mehr. Eine Wand – undurchlässig – ohne den Blick auf das, was danach kommt.

Ich sehe schwarz. Warum auch immer.

„Kaffee?“, frage ich den Soldaten, der bei mir im Rahmen steht. „Gern“,  schallt es zurück. „Milch, Zucker?“ – „Schwarz bitte. Wie meine Seele.“

Und ich höre mich antworten:
Oh – schade: Dann haben Sie wohl noch nie von Ostern gehört?

Fragezeichen im Gesicht meines Gegenübers:
Kaffee – schwarz – Seele – Ostern

Fragezeichen.

Ich komme mit den gefüllten Tassen zurück:
„Warum meinen Sie“, beginne ich das Gespräch, „warum meinen Sie, dass Ihre Seele schwarz ist?“ und er antwortet mit einer Gegenfrage: Was das denn mit Ostern zu tun habe.

Und ich erzähle von dem Gottesdienst in der Osternacht. Wie die entzündete Osterkerze in die dunkle Kirche getragen wird. Wie das kleine Licht den dunklen Raum erstrahlen lässt, wie die vielen kleinen Osterkerzen an dem einen Licht entzündet werden, bis die Kirche hell ist.

Ich erzähle von der Symbolik, dass Jesus von den Toten auferweckt wurde.

Ich erzähle davon, wie die Begegnung mit dem auferstandenen Jesus Menschen ergreift, wie sie aus ihrer Karfreitagsdepression herausgerissen werden und wie die schwarze Wand vor ihnen einen Spalt bekommt, wie Licht auf sie fällt.

Und mein Soldat?
„Ich bin nicht sehr religiös“, sagt er.

„Aber das mit dem Dunkel und der Wand, das kenne ich. Perspektivlos, verzweifelt, wie ich  – so müssen sich die Freunde um diesen Jesus gefühlt haben an jenem schwarzen Freitag.“

Und dann erzählt er von einer verfahrenen Ehesituation. Davon, wie er sich betrogen fühlt von der Ehefrau, während er im Einsatz war. Von Schuldvorwürfen, von Schuldgefühlen und davon, dass er sich am liebsten aus diesem Leben verabschieden wolle. „Die Wand – schwarz – ohne Hoffnung. Schwarz, kein Weiß. Eben wie meine Seele. Sie ist ein Spiegel  meiner Situation.“

„Ja“, sage ich. „Das ist erdrückend. Schwarzer Tag. Undurchdringlich.
So müssen sich Jesu Freunde auch gefühlt haben. Am Ende angekommen.

Und dann?
Ostermorgen für die um Jesus herum.  Frauen sind das zuerst – sie wollen dem toten Jesus die letzte Ehre erweisen – wollen ihn salben mit kostbarem Öl:

Da ist eine Maria, die nichts sieht. Das Schwarz ist so undurchdringlich, verschließt  Augen und Herz. Sie hält den auferstandenen Jesus für den Friedhofsgärtner, fragt ihn nach dem Leichnam Jesu.

Und dann hört sie was – nur ein Wort: Maria.

Sie hört ihren Namen. Sie ist gemeint. Licht fällt durch einen kleinen Spalt im Dunkel. Strahlt sie an, stellt sie auf den Weg jenseits von ihrem Dunkel.
Eine Perspektive tut sich auf – ein Weg – Zukunft.

Ostern meint: Auf meine so schwarze Seele fällt Licht – einen Spalt breit – ausreichend, um das undurchdringliche Schwarz der Wand zu durchbrechen. Licht genug, um das Kreisen im Dunkel der Schuldgefühle und Vorwürfe zu unterbrechen.

Irgendetwas muss dran sein, an diesen Erfahrungen.

Das war nicht nur damals so – bei dem ersten Ostern.
Irgendetwas muss dran sein.

Irgendetwas muss dran sein.
Darum rede ich schon heute – weit vor dem Osterfest, das wir in diesem Jahr erst Mitte April feiern, von dem, der dunkle Zeiten heller machen kann. Von dem, der uns Aufatmen lässt in schweren Zeiten.


Aufatmen – wie das gehen soll?
Vielleicht so, wie es der Prophet Jeremia seinen in die Verbannung geschickten Landsleuten schreibt. Mitten hinein in die tiefe Depression des Verlustes von Heimat, vom Tempel und – von Gott? – fordert Jeremia zum Durchhalten auf:

1. Akzeptiert die Krise – arangiert euch mit der so schlimmen Situation.
Das ist schwer. Wir wissen das wohl aus den eigenen Erfahrungen der letzten zwei Jahre.

Findet euch ab mit der Krise und dann
2. Krempelt die Ärmel hoch: „Baut Häuser und wohnt darin! Pflanzt Gärten und erntet. Zeugt Kinder und verheiratet eure Kinder!“ Denn die Krise wird lange dauern – ein oder zwei Generationen lang. Darum „sucht der Stadt, in der ihr jetzt lebt, sucht der Stadt Bestes. Engagiert euch in und für die Stadt. Betet für sie. Denn das ist jetzt eure Heimat! Geht es der Stadt gut, dann geht es auch euch gut.

Das ist eine klare Ansage – auch für uns!
Denn – nochmal Jeremia: Gott weiß wohl, was für Gedanken ER über euch hat: Gedanken des Friedens und nicht des Leids, dass Er euch Zukunft und Hoffnung gebe.

Vom Aufatmen in dunkler Zeit – irgendetwas muss dran sein, an allen diesen Erfahrungen.

Ich kehre noch einmal zu meinem Soldaten zurück.
Diesem einen Gespräch folgten zwei weitere mit meinem Soldaten.

Immer war der Kaffee schwarz – die Seele aber hatte einen Lichtschimmer abbekommen. Gespräche mit der Frau, Unterstützung von Freunden, ein Weg jenseits der schwarzen Wand.

Mehr Ostern geht kaum noch – auch wenn es erst Februar ist. Amen.

Und der Friede Gottes, der größer ist als unser Verstand es begreift, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

ROTENBURG