Glauben lernen?

Heute geht es um die alte Geschichte von Abraham, der am Anfang noch Abram hieß.
Abram war reich. Er lebte südlich der Stadt Ur am unteren Lauf des Tigris im heutigen südlichen Irak. Er hatte eine riesige Viehherde und auch viele Viehzüchter, die für ihn arbeiteten. Er hatte zwei Brüder, der eine war früh verstorben, aber dessen Sohn Lot hatte auch eine sehr große Herde. Mit diesen beiden Viehherden lebten sie gut am Rand der ältesten Kultur im Zweistromland.

Abram war schon über 50 Jahre alt, verheiratet mit seiner Frau Sara, sie hatten aber keine Kinder bisher. Eines Tages spricht Gott zu ihm: ‚Abraham, zieh hier weg in ein Land, das ich dir zeigen werde, und du wirst dort so viele Nachkommen haben, wie Sterne am Himmel sind.‘
Eigentlich war das nicht mehr als eine Richtungsansage: Abraham sollte durch die jordanisch, syrische Wüste und das Land, das Gott  zeigen wollte, lag dahinter. Das aber kannte Abram nicht. Er muss also in ein unbekanntes Land weiterziehen, durch eine für seine Herden sicher viel zu trockene Region.

Wir erfahren leider in der Bibel nicht, wie Gott zu ihm gesprochen hat. Manchmal spricht Gott durch Menschen, manchmal durch Erlebnisse, manchmal durch Träume – vielleicht war’s auch eine Mischung von allem. Wir wissen es nicht. Aber er hatte den Eindruck, dass Gott zu ihm gesprochen hatte.

Und jetzt bitte ich: Stellen Sie sich vor, Sie sind Abram. Stellen Sie sich vor, Sie wären über 50 Jahre alt, verheiratet, kinderlos und Gott würde Ihnen auf irgendeine Weise sagen, Sie sollen die Heimat verlassen und durch die Wüste in ein neues Land ziehen. Was würden Sie denken? Was würden Sie tun?

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Wir sehen es gibt viele Möglichkeiten: Einige sind ganz überzeugt davon und sie wollen sofort losziehen, andere zögern oder sind misstrauisch. Man weiß ja nie ganz genau, ob es wirklich Gott ist, der zu mir spricht. Und keiner weiß, was einen hinter der Wüste erwartet.

Abram tut, was er meint, tun zu müssen. Er zieht los auf die Verheißung hin. Das ist sicher eine Facette vom Glauben des Abram.

Ich verstehe:
Zum Glauben gehört das Hören auf Gottes Wort genauso wie das daraufhin entschlossene Handeln.

Abram zieht also durch die Wüste. Sein Neffe Lot schließt sich ihm mit seiner Herde an. Mit der Zeit und wahrscheinlich nach vielen Strapazen kommen beide irgendwann im fruchtbaren, aber schon bewohnten Jordantal an. Auf der anderen Seite im Süden von Galiläa finden sie gutes freies Weideland. Aber die Hirten von Lot und von Abram streiten sich dauernd. Die Herden kommen durcheinander, die eine Herde frisst der anderen das Gras weg, man schimpft und es kommt sogar zu kleinen Gewalttätigkeiten zwischen den Hirten. Abram und Lot setzen sich zusammen. Sie einigen sich: Man muss die Bereiche für die Herden aufteilen. Einer muss nach Norden, der andere nach Süden weiterziehen. Abram bietet Lot folgendes an: Such du dir aus, ob du nach Süden ziehen willst, dann ziehe ich nach Norden. Wenn du aber nach Norden ziehst, ziehe ich nach Süden. Lot sieht sich das Land an. Im Norden ist die relativ steinige, judäische Wüste, mit vielen Quellen dazwischen und einigen Bereichen, wo man Vieh halten kann, aber das Land im Süden, das an die hohen Berge des Libanon grenzt und von dort aus viel Wasser hat, ist sicher fruchtbarer.

Und jetzt stellen Sie sich vor, Sie wären Lot. Sie müssen jetzt entscheiden: Nehme ich das Land im Norden oder im Süden?

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Wir sehen, Abram ist ein großzügiger Mensch. Im Gegensatz zu Lot bietet er an, auch den schlechteren Teil eventuell zu nehmen und darauf zu vertrauen, dass Gott mit ihm geht und ihm die Nachkommenschaft geben wird, die in dem Land dann leben kann, so wie Gott es versprochen hat.

Ich verstehe:
Zum Glauben gehört Großzügigkeit.

So kommt Abraham nach Hebron, einige Kilometer nördlich des heutigen Jerusalem. Hebron war damals schon eine kleine Siedlung, umgeben von Wiesen und Feldern, wahrscheinlich wenig Ackerbau, damals hauptsächlich Viehzucht und grenzt schon fast an die Wüste Sinai.

Im Ort siedeln die Hethiter, ein Volksstamm, der eigentlich in der südlichen Türkei lebte, aber an vielen Stellen  Handelsstationen errichtet hatte. So bleibt Abram Gast in einer fremden Umgebung. Er hat auch in der Stadt gar nicht gewohnt, sondern blieb mit seinen Zelten vor den Toren der Stadt. Seine Viehherde wuchs, und es ging ihm und seiner Frau Sara gut, aber sie hatten immer noch kein Kind. Sarah schien unfruchtbar zu sein. Und da beschließt Sara etwas, das uns komisch vorkommt, aber vielleicht aus ihrer Sicht erst mal logisch erscheint, wenn Abraham von ihr keine Kinder kriegt. Vielleicht sollen die versprochenen Nachkommen ja von einer anderen Frau sein. Also sagt sie zu Abram: „Geh doch zu unserer ägyptischen Skavin Hagar und schlaf mit ihr, vielleicht könnt ihr zusammen einen Nachkommen zeugen.“ Und genau das passiert. Abram bekommt von der Hagar ein Kind, einen Sohn: Ismael. Aber danach passiert etwas, womit Sara nicht gerechnet hat. Hagar fühlt sich jetzt wie die Herrin im Haus. Sie hat den Nachkommen geboren und wird überheblich. Meint jetzt im Haushalt von Sara bestimmen zu können. Abram, darauf angesprochen, erlaubt Sara, darauf so zu reagieren, wie sie es für richtig hält.

Und jetzt stellen Sie sich bitte vor, Sie wären Sara. Wie würden Sie sich fühlen, wenn jetzt Hagar sich wie die rechtmäßige Herrin aufspielt im Haus und wie würden Sie über ihren damaligen Entschluss vielleicht im Nachhinein denken? Was würden Sie mit Hagar machen?

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Sara jagt Hagar fort in die Wüste. Aber Gott schickt Hagar einen Boten, der ihr zusagt, das auch auf ihr und ihrem Sohn Segen liegt und auch Ismael zum Vater vieler Völker werden wird. Abram lebt wieder mit Sarah zusammen. Er kann diese in seinen Augen seltsame Entscheidung nicht rückgängig machen. Aber er liebt Sara und bleibt mit ihr zusammen. Die beiden bekommen tatsächlich noch einen Sohn: Israel. Israel ist der spätere Stammvater des jüdischen Volkes. aber auch Ismael wird zum Stammvater, auf den sich später die ganze muslimische Welt als Nachkommen berufen wird.

Beide Söhne Abrahams haben so heute fast eine Milliarde Nachkommen. Und das sind viel mehr als wir Sterne am Himmel sehen können. Die Verheißung ist also mehr als erfüllt worden, auch weil Abraham über diese harte Entscheidung von Sara hinweg sehen konnte und sie wieder als seine Frau annehmen konnte.

Ich verstehe:
Zum Glaube gehört: Entscheidungen anderer akzeptieren und vergeben können.

Sara und Abram, der jetzt Abraham, der Vater der Völker genannt werden kann, nachdem er zwei Söhne, Israel und Ismael, hat. Er lebt noch eine lange Zeit mit Sara zusammen, als Nomaden in der Region um Hebron. Aber irgendwann stirbt Sarah vor ihm, und er möchte sie würdig, beerdigen und an einem festen Platz und nicht irgendwo, wo sie gerade ihr Zelt aufgeschlagen haben. So wendet er sich an die Hethiter in der Stadt Hebron, mit der Bitte dort einen größeren Platz für ein Grab für Sara und später auch für sich kaufen zu können. Für die Hethiter war diese Bitte sicher sehr ungewohnt, denn Abraham war ein Fremder, der aus einer andere Kultur kommt und eine andere Sprache spricht.

Stellen Sie sich bitte vor, sie wären der Statthalter dieser Stadt Hebron und müssten darüber entscheiden, ob diese Nomaden jetzt einen festen Platz mitten in ihrer Ortsgemeinde Hebron kaufen dürfen.

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Nicht selbstverständlich nimmt die Geschichte ihren Lauf. Die Hethiter kommen ihm entgegen, sie sind so erfreut, dass er sich in dieser Stadt fest ansiedeln möchte, dass sie ihm das Grundstück sogar schenken. Sara wird dort beerdigt. Das Grab wird gleich so hergerichtet, dass es später auch das Grab Abrahams wird und bis heute wird es von Juden und von Muslimen in Hebron als das Grab ihres Stammvaters verehrt.

Ich verstehe:
Glauben heißt, sich so zu verhalten, dass man selbst unter Fremden willkommen ist.

Die Verheißung, so viele Nachkommen wie Sterne am Himmel zu haben, ist zumindest, was die für ihn sichtbaren Sterne anging, weit übertroffen. Heute zählen sich 20 Millionen Juden, fast 1 Milliarde Muslime, ungefähr 2 Milliarden Christen, die Paulus als die Adoptivkinder Abrahams bezeichnet, als Nachkommen Abrahams.

Der entscheidende Satz des heutigen Predigttextes lautet:

Gott sah den Glauben von Abraham und nahm ihn als gerecht auf.

Paulus wird später diesen Satz genau benutzen, um zu begründen, dass man auch wie Abraham, ohne Beschneidung und ohne die jüdischen Gesetze zu kennen, ein Glaubender sein kann, und von Gott für gerecht gehalten wird. Und so sind wir Christen als Adoptivkinder letztlich auch Kinder Abrahams.

Zu der Grundfrage zurück. Was ist Glaube?  Ich denke, es gehört vieles dazu.

Zuerst das Hören, das Empfindsam-Sein für das Wort, das vielleicht von Gott kommt, das Wort, das für mein Leben entscheidend ist, das Wort, nach dem ich mich ausrichten kann. Da gehört auch Neugier dazu, dass man zuhören möchte, aber dann auch das man tut, was man erkannt hat. Und da gehört jetzt Mut und Willensstärke dazu. Da geht es um Kraft und Energie.

Aber wenn es manchmal mehrere Möglichkeiten gibt und die eine Möglichkeit jemandem Schaden zufügt, dass man dann auch verzichten kann, dass man großzügig sein kann und den vielen Lots in unserem Leben den besseren Teil überlassen und anderen auch mal das bessere Stück zuschieben kann.

Und auch, dass man Entscheidungen und selbst die harte Entscheidung von Sara, im Nachhinein nicht kritisiert, sondern stehen lässt und verzeiht und neu anfängt und Beziehungen, die lange Zeit gehalten haben, nicht einfach abbricht.

Und zuletzt, dass man auch als Fremder in einer neuen Welt so lebt, dass die anderen erfreut sind, weil ihr Leben bereichert wird

Das alles macht Glauben aus, zumindest ist das der Stand meiner Erkenntnis.

Und dieser Glauben macht uns gerecht vor Gott.

Hört als Abschluss noch mal den vollständigen Bibeltext:  Genesis 15, 1-6

Nach diesen Ereignissen kam das Wort des Herrn in einer Vision zu Abram: »Fürchte dich nicht, Abram! Ich selbst bin dein Schild. Du wirst reich belohnt werden.« Abram erwiderte: »Herr, mein Gott! Welchen Lohn willst du mir geben? Ich werde kinderlos sterben, und Elieser aus Damaskus wird mein Haus erben.« Weiter sagte Abram: »Du hast mir keinen Nachkommen gegeben, deshalb wird mich mein Verwalter beerben.« Da kam das Wort des Herrn zu Abram: »Nicht Elieser wird dich beerben, sondern dein leiblicher Sohn wird dein Erbe sein.« Dann führte er Abram nach draußen und sagte: »Betrachte den Himmel und zähle die Sterne – wenn du sie zählen kannst!« Er fügte hinzu: »So zahlreich werden deine Nachkommen sein.«
Abram glaubte dem Herrn, und das rechnete ihm Gott als Gerechtigkeit an.Amen.