Von Flaschengeistern und was sie mit uns machen – Gottesdienst in Ahrensbök am 18.10.2020

Denn der Geist, den Gott uns geschenkt hat, lässt uns nicht verzagen.
Vielmehr weckt er in uns Kraft, Liebe und Besonnenheit.

Heile du mich, Herr, so werde ich heil. Hilf du mir, so ist mir geholfen.
Jer. 17,14 (Wochenspruch)

Liebe Frauen und Männer, liebe Schwestern und Brüder,

da steht sie – wie ein Häufchen Elend in der Ecke der Synagoge.
„Seht mal – die da!“ haben sie gerufen.

„Die hat ja einen Geist, der sie krumm macht! Hahaha!“

Da muss man schon sehr schwerhörig und dickfällig sein, wenn so etwas spurlos an einem vorübergeht!

Erinnerungen steigen hoch:
Eine Jugendliche hungert sich krank, wird magersüchtig, um Anerkennung eines vermeintlich geliebten Menschen zu bekommen.

Ein älterer Arbeitnehmer bekommt nach längerer krankheitsbedingter Abwesenheit die Kündigung.

Eine Mitarbeiterin verbreitet über den Kollegen Gerüchte, die diesen beim Chef in falsches Licht setzen.

Erfahrungen, die einen Menschen klein machen und krumm.

Sie kennen dieses Gefühl auch?

Eine kleine Übung:
Wir stehen ganz gerade.

Dann stellen wir uns vor, wir würden eine schwere Last tragen.

Sie drückt uns herunter, wir werden dabei gebeugt und schauen nur noch auf den Boden

stehen ganz gekrümmt da –

wir können einander nicht mehr ins Gesicht sehen.

Auch so richtig tief durchatmen können wir nicht mehr.

Die Last wird immer schwerer, es schmerzt uns der Rücken.

Wir versuchen, einen Schritt zu machen, es geht nur ganz schwer.


Manch eine unter uns mag sagen:

Ich habe keine Perspektive. Ich sehe nur den Fußboden. Keinen Blick nach vorne. Keine Hoffnung auf wirkliche Veränderung/Verbesserung. Die Welt bleibt schlecht. Ich habe keine Hoffnung mehr.

Das Geschiebe über die Aufnahme von Menschen auf der Flucht – brodelnde kriegerische Begegnungen in Berkarabach – Mordanschlag auf einen Regimekritiker vermutlich von höchster Stelle gesteuert –menschenverachtende Präsidenten, ob sie Trump oder Lukaschenko heißen, die machtbesessen über Leichen gehen – schleppend und halbherzig vorankommender Klimaschutz – an der einen oder anderen Stelle gleichgültiger und fahrlässiger Umgang mit Corona – da kann man nur noch verzagt den Kopf hängen lassen.

Ich sehe nur noch den Fußboden vor mir – ja, das ist wie bei der kleinen Übung.

Die Frau in der Synagoge, die vom Anfang meiner Predigt, die war ganz krumm geworden über den vielen belastenden Erfahrungen. Keiner wusste so recht, was mit ihr los war. Vielleicht nicht mal mehr sie selber. Krumm und klein war sie geworden.

„Seht mal – die da!“ Immer wieder haben sie das gerufen.

„Die hat ja einen Geist, der sie krumm macht! Hahaha!“

Viele hatten so über sie gelacht.

Und hatten sie nicht Recht, die Leute?
Sie war doch klein und krumm geworden im Laufe der vielen Jahre. Aber sie hat immer weiter gemacht.

Die Geister, die ich rief, ich wird sie nicht mehr los – ja, so ähnlich.
Der Geist der Verzagtheit hat sich festgesetzt bei ihr. Einmal gerufen, und nochmal gerufen und nochmal ….

„Ich bin stets zu deinen Diensten“, sagt der Geist. Wie bei Aladin und seiner Wunderlampe. Einmal an der Lampe gerieben, steht er auf der Matte, bringt berauschende Mahlzeiten und ein wundervolles Schloss über Nacht, mit dem Aladin so richtig Eindruck schinden kann beim König, der ja die hübsche Prinzessin freigeben soll …

Die Geister, die ich rief, ich wird sie nicht mehr los.
Auch nicht den Geist, der klein und krumm macht.
Den Geist, der verzagen lässt.

Der Frau mit dem krummen Rücken widerfährt etwas Wunderbares.
Auch das erzählt das Lukas-Evangelium:

Jesus lehrt in der Synagoge (das ist so etwas wie eine Kirche).

Die krumme Frau steht in einer Ecke und hört zu.

Plötzlich hört sie, wie Jesus sagt: „Komm zu mir!“

Zuerst merkt sie gar nicht, dass sie gemeint ist.

Doch sie sieht die ganzen Füße, die sich zu ihr umdrehen.

Sie hört nochmal: „Ja, komm zu mir! Frau – dich meine ich!“

Sie humpelt nach vorne zu Jesus.

Einige andere fangen zu tuscheln an.

„Schaut doch mal – wie die geht!!“

Endlich steht sie vorne vor Jesus.

Er sieht sie freundlich an und sagt:
„Sei frei von deiner Krankheit!“

Und er berührt sie. Ganz behutsam. Er richtet sie auf!

Und sie kann den Rücken bewegen!

Sie flüstert: „Gott sei gedankt!“ Und ganz laut: „Halleluja!“

Da weht ein anderer Geist.
Nicht der Geist der Verzagtheit, der die Frau immer weiter zusammenfallen lässt, sondern der Geist der Liebe.

Die krumme Frau richtet sich auf – nein – richtig muss man sagen: Jesus richtet sie auf. Unter seinen Händen, mit seinen Worten kehrt ein anderer Geist bei der Frau ein. Der Geist der Verzagtheit verschwindet, der Geist des Kummers auch und der Geist der Verzweiflung. Ein neuer Geist nimmt Besitz von ihr.

Und das Wunderbare: Alle in der Synagoge haben das gesehen.

Das war damals.

Aber wie kann das heute ‚funktionieren‘?

Ich erzähle Euch eine kleine Geschichte:

Ein Mann hatte zwei Wasserkrüge. Beide Krüge befestigte er an den beiden Enden einer Stange, die er sich über die Schulter legte, wenn er Morgen für Morgen zum Fluss ging, um Wasser zu holen.

Der eine Krug war heil, während der andere einen tiefen Riss hatte, was dazu führte, dass der Krug nahezu leer war, wenn er von der Wasserstelle wieder zu Hause angekommen war.

Der gesprungene Krug war darüber sehr traurig. „Ich schäme mich so schrecklich“, weinte er. „Ich mache einen schlechten Job. Ich fühl mich so misslungen!“

„Aber ich wusste nicht, dass du dich so schlecht fühlst!“, sagte der Mann.
„Tu mir morgen einen Gefallen: Wenn wir von der Wasserstelle zurückkommen, schau mal auf unseren langen Weg zurück!“

Das geschah so.
„Und“ – fragte der Mann: „Hast du die schönen Blumen am Wegrand bemerkt?“

„Ja!“, seufzte der Krug.

„Hast du auch bemerkt, dass sie nur auf der einen Straßenseite wachsen? Ich habe immer bemerkt, dass du einen Sprung hast. Darum habe ich die Blumen am Wegesrand gepflanzt, die du jeden Tag begossen hast. Wenn du nicht so wärst, wie du bist, hätte ich nicht jeden Tag einen Strauß frischer Blumen auf den Tisch stellen können!“

Ich habe eben gefragt, wie ich denn den Geist der Verzagtheit heute loswerden kann.
Vielleicht so.

Vielleicht dadurch, dass ich eine neue Perspektive einnehme.
Wie der kaputte Wasserkrug. Der im Blick zurück etwas Positives zu erkennen vermag und mit und in seinem Mangel etwas Fruchtbringendes schafft.

Das eigentliche Wunder, das in der Synagoge damals geschieht, ist der Tausch der Geister: Der krankmachende Geist der Verzagtheit muss gehen – er darf keine Macht mehr über die Frau ausüben. Unter Jesu Händen findet ein neuer Geist den Weg in die Frau: Der Geist der Liebe – und wie es im Timotheus-Brief heißt: der Geist der Liebe, der Kraft und der Besonnenheit.

Dieser Geist – Gottes Geist – ist auch heute wirksam unter uns. Er ist es, der den Perspektivwechsel schafft.

Aller Verzweiflung, aller bitteren Flaschengeister in uns zum Trotz:

Der Geist, den Gott uns geschenkt hat, lässt uns nicht verzagen.
Vielmehr weckt er in uns Kraft, Liebe und Besonnenheit.


Das schafft den Perspektivwechsel, das schafft Veränderung.
Das Elend unserer Gegenwart bleibt, aber wir beginnen vielleicht nach Möglichkeiten zu suchen, wie wir uns engagieren können. Wie wir diese innere Kraft teilen können. Damit auch andere sich aufrichten und wieder atmen können.

Dieses Geistes Kind möchte ich sein. Und ich will lernen, an dieser von Gott geschenkten inneren Wunderlampe zu reiben, und den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit mir zur Hilfe kommen zu lassen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als unser Verstand begreift, bewahre unser Herz und unseren Sinn in Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.

Lied_ Du verwandelst meine Trauer in Freude, du verwandelst meine Ängste in Mut. Du verwandelst meine Sorgen in Zuversicht. Guter Gott, du verwandelst mich.

Gottes Wort im Herzen Gottesdienst in Pansdorf am 11.10.2020 (Wolfgang)

Zirkus in der kleinen Stadt: Das ist was besonderes, alle Kinder kommen nach der Schule, staunen über die vielen großen Tiere, die Pferde, die Kamele, die Löwen im Käfig und und den großen Elefanten. Am nächsten Tag kommen sie wieder und sehen wie die großen Stangen vom Zelt aufgebaut werden, der Elefant schleppt die schweren Stangen heran, die Männer ziehen gemeinsam die Seile und die Plane, bis das Zelt steht. Hinterher wird der Elefant zu seinem Platz zurückgeführt und angekettet. Franz staunt, da ist nur ein ganz kleiner Holzpflock an der Elefant angekettet wird. Dieser starke Elefant könnte auch den Holzpflock spielend aus dem Boden reißen. Franz ist in im Alter wo er noch denkt, er kriegt von Erwachsenen eine vernünftige Antwort. „Warum habt ihr den an dem kleinen Flock angekettet, der kann euch da weglaufen.“ Die Antwort des Wärters: „ Das haben wir immer so gemacht.“ hilft ihm nicht wirklich. „Der ist nie weggelaufen warumsollen wir das anders machen.“ Franz denkt nach; Dieser starke Elefant, er schleppt die schweren Stangen und dann wird er mit einer kleinen Kette an einem Minipfahl angekettet. Das macht doch keinen Sinn.

(Kette mit Pfahl aufbauen)

Zwei Jahre später kommt der Zirkus noch mal in die Stadt. Diesmal sind zwei Elefanten dabei, der große und ein kleiner junger Elefant. Und der wird an einen dicken Pfahl angekettet. Der Wärter erklärt: „Das machen wir, damit er sich nicht los reißt und alles zertrampelt, er ist doch noch so wild und jung.“ „Ja aber der Größere könnte sich doch viel leichter losreißen.“ „Tut er aber nicht.“ Franz beginnt nachzudenken. Warum verhält sich der starke große Elefant so. Er hat sich in sein Schicksal ergeben. Nur der kleine Elefanten muss ernsthaft angebunden werden.

Franz merkt in dem großen Elefanten stecken Kräfte, von denen dieser nichts mehr weiß. Seine Erfahrungen haben ihn dazu gebracht zu glauben, sobald er an der Kette liegt, kann er nicht weglaufen. Jetzt merkt Franz, dass bei ihm etwas ähnliches passiert ist. Früher glaubte er noch alles zu können, alles bewegen zu können, alles verändern zu können. Heute ist er vorsichtig, heute traut er sich manches nicht mehr. Manchmal ist das ja gut wenn man sich nicht mehr alles traut, man wird achtsamer und das hat einen gewissen Schutz. Aber es engt auch unheimlich ein. Heute kommt er sich vor wie jemand, der gar nicht weiß,was er wirklich alles kann und sich nicht mehr traut Neues auszuprobieren.

(Kette mit gelben Tuch in der Mitte auf den Boden legen, außen schwarze Tücher)

Es gibt Zeiten, und das kennen sie vielleicht auch aus ihrem Leben, da läuft alles wie gewohnt, da muss man nicht groß nachdenken, da läuft alles in einem gewissen Trott. Da weiß man morgens schon , was der Tag bringt und fängt erst gar nicht an nachzudenken, was denn sonst noch passieren könnte oder was man selber noch anders machen könnte. Aber dann gibt Zeiten, da ist plötzlich alles anders da weiß man nicht mal ein und aus, da verändert sich so viel auf einmal. Man wird orientierungslos, fragt sich hin und her, was denn richtig und sinnvoll zu machen ist. Und das geht nicht nur einzelnen Menschen so, das gilt auch für die ganze Gesellschaft. Ich erinnere mich an die 50er 60er Jahre in den ich aufgewachsen bin. Bis kurz vor Ende der 60er hat sich ja kaum was verändert, die allgemeine Vorstellung: die Amerikaner sind unsere Freunde die Russen unsere Gegner, alles war politisch klar und der wirtschaftliche Aufschwung nahm alle voll in Beschlag. Und dann wie von einem Tag auf den anderen und kamen plötzlich die wilden 68er ,70er Jahre. Plötzlich wurde alles in Frage gestellt, die Werte veränderten sich. Die Amerikaner zerbombten Vietnam und waren nicht mehr uneingeschränkt unsere Freunde. Die Wirtschaft kam ims stocken, Arbeitslosigkeit stieg an. Homosexualität, bis dahin gesetzlich verboten wurde gesellschaftsfähig. Und zu all dem musste sich dazu positionieren, selbst wenn man nicht selbst betroffen war.

Ich kann mir vorstellen, dass viele von uns die jetzige Situation so ähnlich empfinden. Durch die Corona Pandemie hat sich vieles verändert, was vorher selbstverständlich war. Selbstverständlich waren Familientreffen, selbstverständlich war das man an seine Alten besuchen konnte, selbstverständlich war dass man reisen konnte, selbstverständlich war, dass man feiern konnte mit wem man wollte. Das alles ist nicht mehr selbstverständlich und wir wissen nicht für wie lange. Ich bin ja so ein bisschen Statistiker und habe ausgerechnet, wenn wir weiter die niedrige Ansteckungsrate so haben wir hier im Norden wird uns die Pandemie noch viele Jahre beschäftigen.

Viele Menschen fordern deshalb auch schon eine ganz andere Moral, ein ganz anderes Umgehen miteinander, ein neues Denken. Viele sagen die Krise könnte uns etwas lehren, es könnte sozusagen ein Fingerzeig sein in welche Richtung wir uns bewegen müssen. Dass wir nicht überall auf der Welt rumreisen müssen dass das Schöne manchmal vor der Haustür liegt. Das in kleinen Treffen von wenigen Menschen manchmal mehr passiert und intensiverer Austausch stattfindet als in großen Ansammlungen von Menschen, die alle dasselbe konsumieren.

Unser heutiger Bibeltext legt hingegen nahe, auf das zu achten, was uns gegeben wurde und bereits in uns liegt.

5. Mose 11 Denn das Gebot, das ich dir heute gebiete, ist dir nicht zu hoch und nicht zu fern. 12 Es ist nicht im Himmel, dass du sagen müsstest: Wer will für uns in den Himmel fahren und es uns holen, dass wir’s hören und tun? 13 Es ist auch nicht jenseits des Meeres, dass du sagen müsstest: Wer will für uns über das Meer fahren und es uns holen, dass wir’s hören und tun? 14 Denn es ist das Wort ganz nahe bei dir, in deinem Munde und in deinem Herzen, dass du es tust.

Unser Bibeltext entstand in so einer Zeit, als alles sich veränderte. Die Menschen waren aus Babylonien zurückgekehrt und kamen in ein Land, dass ihnen fremd war. So vielleicht wie viele nach dem Krieg nach Westdeutschland, die aus dem Osten geflohen sind. Sie kamen in ein Land, das sie kaum kannten. Sie wurden nicht mit offenen Armen aufgenommen. Und so erlebten es die Rückkehrer aus Babylon auch. Es gab keinen Tempel, es gab keine Priester, die Religion war weg, die Kultur hatte sich verändert. Denn unter persischen Einfluss war nichts so wie früher, man konnte an nichts anknüpfen und war doch zurückgekehrt in dem Glauben und in der Hoffnung mal würde in das gelobte Land kommen. Nun kommt man in ein fremdes Land. Viele haben sicher damals auch geglaubt, es wäre nötig alles Neu zu denken und sich den neuen Gegebenheiten anzupassen. Neue Regeln für das Zusammenleben aufzustellen! Neue Gottesbilder zu entwerfen. Ganz anders von Gott zu reden als bisher. Vielleicht sogar einen neuen Gott anzubeten.

Aber die Juden hatten in Babylon das wichtigste bewahrt: die Thora, die alten Geschichten vom Auszug aus Ägypten, von Abraham von Moses und man hatte an jedem Sabbat sich diese Geschichten immer wieder erzählt. Man hat erlebt, man braucht keinen Tempel um Gott zu verehren. Man war jahrelang ohne Tempel und Priester ausgekommen, jahrzehntelang.

Unser Text wollte den Juden damals Mut machen. Sie hatten die Worte der Thora: „Liebe Gott und deinen Nächsten wie dich selbst“ jahrelang im Exil bewahrt. Eine bewährte Regel für jeden Menschen als Orientierung. Sie brauchen keine neuen Gottesbilder, sie brauchen erst recht keinen neuen Gott, keine neuen Regeln, keine neue Kultur. Alles was sie brauchen hat Gott längst ihr Herz gelegt. Mit dem was sie mitbringen ist alles da in ihren Herzen.

Und heute? Auch wir wissen was richtig ist, wir wissen was gerecht ist, wir wissen was gut ist. Wir brauchen keine neuen Gottesbilder und erst recht keinen neuen Gott. Ich denke es ist doch heute so, alles was jetzt zu tun ist, wissen wir längs.Wir brauchen keine neue Moral, wir müssen das, was längst bekannt ist nur umsetzen. War die Erkenntnis, dass man nicht überall hin reisen muss, sondern das Schöne oft vor der Tür liegt denn vor Corona nicht auch richtig? War der intensive Austausch in kleinen Gruppen nicht auch vor Corona wertvoller als der Genuss von Massenveranstaltungen?

Heute wissen wir um die Not der Flüchtlinge, sie nehmen den Tod im Mittelmeer in Kauf. Sie leben in Lagern und nehmen das alles auf sich in der Hoffnung auf ein besseres Leben, was ihr hier in der EU verwehrt wird. Wir sehen dass sie unseren Schutz und unsere Hilfe benötigen.

Heute wissen wir, dass das Klima immer wärmer wird und kennen unseren CO2 Ausstoß und trotzdem reduzieren wie ihn so langsam, dass kaum etwas davon merkbar ist. Wir brauchen keine neue Moral, sondern nur das tun, was unser Herz uns sagt.

Und bezogen auf die Corona- Debatte: wir verdanken der Reformation eine Gotteserkenntnis, die uns davor bewahrt hat Corona als Strafe Gottes zu denken. Im ausgehenden Mittelalter hat man Passionsspiele begonnen, um Gott umzustimmen, als die Pest ausbrach. Heute suchen wir eher nach einem Impfstoff und nach gemeinsamen Regeln, um die die Pandemie einzudämmen. Luther hat immer wieder die Freiheit des Christenmenschen in den Mittelpunkt gestellt. Aber sie endet logischerweise dort, wo sie anderen Menschen schadet und sie gefährdet. Ich staune, wie gerade die Kirchen nach sturen Regeln arbeiten, statt sich auf das verantwortunsvolle Handel ihrer Mitglieder zu verlassen. Ich habe Gottesdienste in großen Räumen für mehr als 100 Personen erlebt, wo 4 Menschen saßen, die laut Landesgesetz nicht singen durften. Unsere Gottesdienste als Großveranstaltungen darzustellen grenzt in den meisten Gemeinden an anmaßende Übertreibung. Mir graut vor Weihnachtsgottesdiensten , an denen man Menschen an der Tür abweist: Kirche voll. Oder schlimmer noch reserviert für häufige Gottesdienstbesucher, wie es Frau Schwaetzer, Präses der EKD angedacht hat. Dann lieber draußen im Wald vor einer großen Tanne mit einer liebevoll gebauten Krippe und warmen Getränken, aber offen für alle.

Aber warum meinen manche Menschen, ohne Mundschutz in großen Gruppen zusammen kommen zu können? Denken sie nicht nach über die Gefahren für ihre Mitmensche. Hat Gott vielleicht doch nicht seine guten Regeln in alle Herzen gelegt? Das deutsche Sprichwort: „Was du nicht willst das man dir tu, das füge keinem anderen zu“ oder besser noch die positive Fassung davon aus der Bergpredigt:“Was du willst das man dir tu, das füge deinem Nächsten zu“ ist eigentlich für jeden Menschen einleuchtend. Zumindest wenn er den ersten Satz der Verfassung der USA akzeptiert: „All men are created equal“-“Alle Menschen sind mit gleicher Würde erschaffen“, denn dann steht logischerweise alles, was ich erhoffe auch allen anderen zu. Aber seit man sich nicht mehr sicher ist, ob selbst der Präsident der USA noch seine Verfassung kennt, staunt man nur, wie so einfache Regeln, die von Menschen aller Religionen und aller Regionen dieser Welt anerkannt werden, für einige scheinbar nicht mehr gelten

Vielleicht ist manches Gute im Herzen nur verschüttet. Durch die Ketten unserer negativen Erfahrungen. Durch grausame Erfahrungen in der Kindheit. Durch schlechte Vorbilder. Durch schwere Entbehrungen und Verluste. Aber auch durch die Medienflut, der man heute ausgesetzt ist und die einem die Auswahl schwer macht. Meist können wir unsere Ketten nicht selber aufbrechen. Aber manchmal dringt etwas von außen ein, ein Wort, ein Erlebnis, ein hilfreicher Mensch, ein Spiegelbild in den Wolken. Dann kann sich die Kette verbiegen und etwas von unserem Ursprung, was verschüttet war, kommt wieder zum Vorschein.

(gelbes Tuch unter eingedrückter Kette hervorziehen über das schwarze Tuch)

Eine kleine Geschichte kann das verdeutlichen:

Ein alter Indianer saß mit seinem Enkel am Lagerfeuer. Es war bereits dunkel geworden und das Feuer knisterte, während Flammen in den Himmel züngelten. Der Alte sagte nach einer Zeit des Schweigens: “Weißt du mein Enkel, wie ich mich manchmal fühle? Es ist als ob zwei Wölfe in meinem Herzen gegeneinander kämpfen. Einer der beiden ist grimmig und zornig und hoffnungslos. Der andere hingegen ist freundlich, motiviert und optimistisch.“ Der Junge lauschte gespannt. Nach einer Weile des Schweigens fragte er nachdenklich: “Und welcher der beiden wird den Kampf gewinnen?“ Es verstrich ein Moment der Stille. Dann erwiderte der Alte: „Der Wolf, den ich am meisten füttere“.

Und vielleicht sollten wir uns alle öfter mal fragen: „Womit kann ich den guten Wolf füttern? Oder auch – wie kann ich den grimmigen Wolf aushungern“

Wer offen für Gottes Wort ist, füttert sicher den richtigen Wolf.

Senioren-Projekt Uhlenbusch: Bullerbü für Senioren bekommt tiefe Schramme

Nachdem kürzlich eine Bewohnerin des Senioren-Dorfes von einem Hund so gebissen wurde, dass sie in ein Krankenhaus gebracht werden musste, hat das Wohnprojekt eine heftige Beule davongetragen. Ist doch die Freiheit, die die Tiere hier im Dorf genießen, Kernstück und Werbeträger des gesamten Projektes. Nun also ist es passiert, was in den letzten Monaten immer wieder im Dorf für Diskussionsstoff und Streit gesorgt hat – bis dahin, dass Mieter sich Rechtsbeistand genommen haben, um sich halbwegs friedlich und ohne Angst im Dorf bewegen zu können. Nun hat ein Hund gebissen und eine Mieterin verletzt. Es gibt zu denken, dass die Person, die gebissen wurde, mit Hunden umgehen kann und dem Hund vertraut war. Dass der Unfall auf dem Nachbargrundstück der DJO passiert ist, ändert nichts an dem Problem, dass ein solches Unfall-Geschehen jederzeit auch im Seniorendorf denkbar ist, da Hunde im Uhlenbusch frei laufen dürfen und einige Hundehalter dieses als einen Freibrief verstehen. Der geschehene Unfall ruft nach Konsequenzen.

Und hier setzt das Folgeproblem ein: Anstatt die Bewohner über den Unfall zu informieren, stellt man den Unfall als rein privates Problem dar. Da aber so etwas nie geheim bleibt – so sehr man sich auch bemüht – und auch m.E. nicht verschwiegen werden darf, bezichtigt man denjenigen, der den Unfall öffentlich macht, der Übergriffigkeit. Das ist schon eine seltsam verkehrte Welt, die man sich hier im Uhlenbusch schaffen will. Aber was tut man nicht alles, um nicht zugeben zu müssen, dass ein Konzept – sollte so etwa überhaupt je existiert haben! – zu scheitern droht.

Die geschätzt 25 Hunde im Seniorendorf Uhlenbusch werden sich immer wieder ‚Machtkämpfe‘ liefern – dumm für uns Menschen, die wir doch eigentlich nur in Frieden hier alt werden woll(t)en. Dorothea Brand

Senioren-Wohnprojekt Uhlenbusch:

Der Fuchs im Weinberg
Ganz was Besonderes sollte es sein, dieses wie eine Ferienhaussiedlung anmutende Dörfchen am Ende des Ortes Bosau, etwas Herausragendes, Außergewöhnliches, einmalig und uneinholbar für andere Wohnprojekte. Etwas Herausragendes, Außergewöhnliches auch, weil man hier Gemeinschaft leben will und  aufeinander achtet, damit jede und jeder hier aktiv und selbstbestimmt alt werden,  ein würdevolles Leben führen kann bis zum Ende.

Ernüchternd ist die Bilanz, wenn ich heute – im September 2020 – auf dieses Dörfchen schaue:
Der besondere Umgang miteinander qualifiziert sich darin, dass nicht genehme Mieter nicht gegrüßt werden. Dass verletzende Gerüchte über Mieter verbreitet werden. Dass man Aushänge mit Einladungen und Informationen ohne Rücksprache abhängt. Dass man ohne Rücksicht auf andere Mieter Hunde aufs Gelände schickt, weil einem das ja im Mietvertrag zugesichert wurde. Dass man andere Mieter in ihrer Freiheit einschränkt, einen zwei Meter hohen Zaun errichtet, um das Wohl der Tiere zu garantieren. Dass man ignoriert, welche Außenwirkung insbesondere Zaun und Tor haben. Dass man das große Gelände verwildern lässt und sagt, das seien naturnahe Anlagen. Dass man Mieter ungleich behandelt – Bohnen dürfen nicht am Haus gepflanzt werden, ein Anbau für Katzen aber ist erlaubt. Dass Entscheidungen nicht gemeinschaftlich, sondern nach Gutsherrenart getroffen werden.

Ernüchternd auch, dass mehr als die Hälfte der ersten Mietergeneration bereits ausgezogen ist. Aus meiner heutigen Perspektive gesehen, hat man uns, die erste Mietergeneration, mit einer Vision für ein alternatives Wohnen im Alter angeworben, dann aber festgestellt, dass die Menschen, die man sich herangeholt hatte, durchaus eine eigene Vorstellung vom Alt-Werden hatten, die aber nicht kompatibel mit der des Gründer-Ehepaars Reimann war. So kommt es nach nur gut einem Jahr ‚Laufzeit Uhlenbusch‘ zu einem von Ehepaar Reimann ausgerufenen ‚Paradigmenwechsel‘, der bei den ersten Mietern des Uhlenbuschs zum Eindruck geführt hat, ‚benutzt worden zu sein als geldgebende Pioniere‘. Jetzt aber, da alles wohl im Sinne der Gutsherren-GmbH läuft, kann man nicht genehme Mieter nicht schnell genug loswerden.

So ziehen wir, Wolfgang und ich, die Konsequenzen und verlassen nach genau drei Jahren den Uhlenbusch Ende November.                                  Dorothea Brand                  

Ich möchte mich aus dem Uhlenbusch mit folgender kleiner Anekdote verabschieden:

Ein Fuchs findet einen besonders verlockenden Weinberg.
Die herrlichen Trauben reizen seine Gier. Aber der Weinberg ist sicher eingezäunt. Der schlaue Fuchs umschleicht den Zaun und findet eine winzige Öffnung, durch die er in den Weinberg eindringen will. Doch die Öffnung ist zu eng. In einer Mischung von Klugheit und Gier beschließt der Fuchs, so lange zu fasten, bis er durch den Spalt hindurchpasst.

Nach einer Woche endlich ist er so mager, dass er hinein kann. Nun frisst er sich an den wunderbaren Früchten satt und wird wieder so dick, dass er nicht mehr ins Freie gelangt. So muss er wieder lange fasten und sich verstecken, bis er hinaus kann. Als er endlich draußen ist, dreht er sich zum Weinberg um und ruft: „Weinberg! Weinberg! Wie schön bist du, und wie herrlich schmecken deine Trauben. Aber man hat keinen Nutzen von dir! So hungrig man zu dir hineinkommt, so hungrig geht man wieder aus dir heraus!“

So ist es wohl auch mit den Weinbergen des irdischen Ruhmes, der Macht und des Reichtums. Sie sind so verlockend und scheinen herrlich. Aber so nackt, wie wir auf die Welt kommen, werden wir sie auch wieder verlassen.                                                                       Axel Kühner, Voller Witz und Weisheit

Predigt am 6.9.2020 in Cismar „Streit in der Gemeinde“ Apostelgeschichte 6 (Wolfgang)

Anspiel : Gemeindeversammlung 2020

A: So kann es doch nicht weitergehen. In unserer Gemeinde liegt alles brach wegen Corona jetzt natürlich besonders, aber das war doch vorher schon so. Wo sind die jungen Leute? Was bieten wir ihnen an? Unser musikalisches Angebot – unsere Chöre – bis zu Corona lief das ja ganz gut – aber jetzt?! Wie soll es weitergehen?

B: Ich gebe dir ja recht. Es müsste etwas passieren, aber was sollen wir denn machen? In unsere Gottesdienste kommen hauptsächlich nur ältere Menschen, die gefährdet sind von Corona, wir können die doch nicht weiteren Gefahren aussetzen. Wir müssen die Abstand-Regeln einhalten den Mundschutz aufsetzen, wir können auch große Chöre nicht mehr veranstalten.

A: Ja gut – aber dann lass uns doch was Neues überlegen – lass uns vielleicht mit den Jugendlichen anfangen – bei denen ist die Gefahr von Corona ja nicht so groß. Vielleicht könnte man da doch etwas aufbauen – gerade jetzt, wo die Jugendlichen sich nach Kontakten sehnen und keine Veranstaltungen stattfinden, die sie besuchen können. Da könnte die Kirche doch etwas anbieten.

B: Aber wer soll das denn machen? Wir fordern doch schon lange einen Jugenddiakon, der sich dafür einsetzt. Aber woher soll das Geld kommen?

A: Wenn das Geld immer nur für Reparaturen und Erhaltungsaufgaben und Friedhöfe ausgegeben wird, dann fehlt es natürlich da, wo es nötig ist. Wir brauchen dringend Geld für die Kinder und -Jugendarbeit.

B: Ach – darum geht’s dir, es geht dir gar nicht wirklich um unsere Gemeinde.

A: Doch – sehr wohl – die Jugendlichen sind doch auch unsere Gemeinde und unsere Kinder sind doch die Zukunft unserer Gemeinde.

B: Aber damit können wir das Geld uns ja trotzdem nicht aus den Rippen schneiden.

A: Immer wenn’s um Geld für was Neues geht, ist plötzlich kein Cent mehr da, aber wenn irgendwas Altes erhalten werden muss und sei es unsere Denkmäler und Friedhöfe und Kirchen – dafür ist immer Geld. Ich verstehe es nicht -irgendwo ist da was falsch im System.

B: Willst du das übernehmen und Geld dafür sammeln?

A: Nein – ich weiß ja auch nicht, woher weitere Gelder kommen könnten. Die Kirchensteuern brechen immer weiter weg, die Einnahmen der Gemeinde werden wahrscheinlich dauerhaft noch in den nächsten Jahren kleiner werden und die Kirchenaustritte zunehmen. Aber wenn wir das so weiterlaufen lassen, wird es nur schlimmer. Wir müssen doch irgendwo ansetzen.


Vielleicht sollten wir nicht über das leidige Geld reden, sondern endlich mal darüber, was wir denn an Konzepten haben.

B: Was für ein Konzept für Jugendarbeit ist denn heute z.B. noch interessant, wo durch die Ganztagsschule die Zeit der Kinder und Jugendlichen doch völlig eingeschränkt ist.

A: Was für Ideen gibt es, andere Gottesdienstformen zu finden?
Gottesdienste am Strand, Gottesdienste, in denen Musik ein starkes Gewicht haben – so, wie wir das schon immer mal versuchen.

B: Ja – wir erreichen immer mal wieder einige. Ab und zu sind einige Kurgäste da – aber davon kann man keine Gemeinde aufbauen.

A: PredigtVielleicht sollten wir mehr zu dem Menschen gehen und nicht immer erwarten, dass sie zu uns kommen.

Predigt 

Das schöne an unserem heutigen Bibeltext: Man braucht kein theologisches Wörterbuch um ihn zu verstehen:

Apostelgeschichte 6

1 In diesen Tagen aber, als die Zahl der Jünger zunahm, erhob sich ein Murren unter den griechischen Juden in der Gemeinde gegen die hebräischen, weil ihre Witwen übersehen wurden bei der täglichen Versorgung. 2 Da riefen die Zwölf die Menge der Jünger zusammen und sprachen: Es ist nicht recht, dass wir das Wort Gottes vernachlässigen und zu Tische dienen. 3 Darum, liebe Brüder, seht euch um nach sieben Männern in eurer Mitte, die einen guten Ruf haben und voll Geistes und Weisheit sind, die wollen wir bestellen zu diesem Dienst. 4 Wir aber wollen ganz beim Gebet und beim Dienst des Wortes bleiben. 5 Und die Rede gefiel der ganzen Menge gut; und sie wählten Stephanus, einen Mann voll Glaubens und Heiligen Geistes, und Philippus und Prochorus und Nikanor und Timon und Parmenas und Nikolaus, den Proselyten aus Antiochia. 6 Diese stellten sie vor die Apostel; die beteten und legten ihnen die Hände auf. 7 Und das Wort Gottes breitete sich aus, und die Zahl der Jünger wurde sehr groß in Jerusalem.

Die erste Gemeinde in Jerusalem war schon ein seltsamer Haufen. Die Freunde von Jesus, die sich Pfingsten versammelten, waren Handwerker, Fischer und einfache Leute aus dem Volk.
Aber schon kurz nach dem Pfingstereignis kamen Menschen aus Jerusalem zur Gemeinde, die sich von denen, die zum Freundeskreis von Jesus gehörten, doch sehr unterschieden. So kamen jetzt zunehmend Kaufleute, reichere Menschen, Menschen aus der Stadtverwaltung und sogar einige Priester zur Gemeinde dazu. In einer Großstadt leben halt andere Menschen als in Galiläa auf dem Land.

Die Gemeinde bestand also aus zwei sehr unterschiedlichen Teilen. Da waren einerseits die Freunde aus Galiläa, die mit Jesus nach Jerusalem gezogen waren. Sie sprachen aramäisch oder hebräisch. Viele konnten wahrscheinlich kein Griechisch, damals die Kultur- und Weltsprache. Und erst recht kein römisch, was damals die offizielle Amtssprache war.

Und auf der anderen Seite diejenigen Juden, die in der Bibel als griechische Juden bezeichnet werden, also Menschen, die im griechischen Kultur- und Gedankengut aufgewachsen waren. Für sie war griechisch und vielleicht auch römisch die Standardsprache. Die hebräische Bibel kannten sie vielleicht sogar nur in der Übersetzung im griechischen und noch gar nicht mal im Originaltext.

Es gab also zwei markante Unterschiede:
einmal einen würde heute sagen soziologischen Unterschied zwischen reich und arm, zwischen gebildet und ungebildet, zwischen Stadtmenschen und Landbevölkerung, zwischen bedeutsam und aufgewachsen in Jerusalem und fremd in dieser Stadt.
Und es gab einen Unterschied in der Sprache: im aramäisch oder hebräischen Kulturkreis aufgewachsen und zu Hause oder im griechisch-römischen Kultur und Gedankenkreis aufgewachsen.

Und man kann sich vorstellen dass ich das immer weiter verschob, denn wer kam nach Jerusalem: Doch hauptsächlich Händler und Leute, die mit den römischen Behörden vielleicht etwas zu regeln hatten. Sicher auch ein paar Bauern, die die Märkte belieferten, aber im Wesentlichen kamen wohl gerade mehr griechisch sprechende Christen dazu und weniger jüdisch sprechende.



Am Anfang der Apostelgeschichte bei Lukas wird über die erste Gemeinde berichtet: Sie waren alle ein Herz und eine Seele und teilten alles, was sie hatten. Aber schon in den ersten Jahren scheint sich das sehr geändert zu haben. Und wir kennen das: Der Streit bricht zuerst da los, wo es ums Geld geht.

Luther übersetzt hier so treffend: Es erhob sich ein Murren.

Man ging also nicht direkt zu Petrus und beschwerte sich. Man forderte nicht, dass einer griechischen Witwe genauso viel zustand wie einer jüdischen, sondern man ‚murrte‘:

Es ging das übliche Getratsche in der Gemeinde los.

So stell ich mir das vor: „Hat nicht Frau Zachäus viel mehr Geld bekommen?“ „Ja ich habe gehört, dass Frau Timotheus und ihr Sohn viel weniger bekommen haben als ihr Mann gestorben war.“
„So läuft es hier immer: die Freunde der Apostel werden bevorzugt, aber man traut sich ja gar nicht, sowas laut zu sagen.“
“ Wir griechischen Anhänger von Jesus werden immer benachteiligt, einige haben noch nie Unterstützung bekommen.“

Und irgendwann muss dieses Murren ja dann doch wohl bis zu den Aposteln vorgedrungen sein – also bis zu den 12 Freunden von Jesus. Und die reagieren darauf, wie man das sinnvollerweise macht.
Man ruft eine Versammlung aller Personen zusammen. Damals waren es wahrscheinlich noch nicht so viele – sie scheinen noch in ein Haus gepasst zu haben oder in einem Saal.
Und dann versucht man und die Sache gemeinsam zu regeln.

Und wie es scheint, war das Murren nicht unberechtigt, denn das Ergebnis zeigt, dass gerade griechische Männer gewählt wurden um die Ungerechtigkeit auszugleichen.

Aber statt das offen zuzugeben, begründen die Apostel ihre Entscheidung völlig anders. Nämlich damit, dass sie sich nicht um die kleinlichen Dinge wie Geld kümmern wollten, sondern um das Wort Gottes, direkt also die Predigt um die Lehre.

Für die Versorgung der Witwen und Waisen, also die Diakonie würden wir heute sagen, werden andere Menschen bestellt.

Diese Arbeitsteilung hat ja eine gewisse Logik: die Apostel waren diejenigen, die Jesus noch persönlich gekannt haben. Die griechisch sprechenden Menschen in der Gemeinde werden Jesus vielleicht gerade vor seinem Tode noch kennengelernt haben, aber die meisten ihn gar nicht gekannt haben.
Deshalb war es sicher sinnvoll, dass die Apostel sich um die Lehre und die Predigt kümmerten, und es war eine große Geste, dass man dem griechischen Teil der Gemeinde zugestand, für die diakonischen Belange zu sorgen und so die vorhandenen Ungerechtigkeiten auszugleichen.

Wann wird bei dieser Entscheidung daran erinnert, dass Jesus so etwas ähnliches gefordert hat:
In der Bergpredigt sagt er:“ Wirst du von jemand genötigt eine Meile mitzugehen, dann gehe gleich zwei Meilen mit.“

Ob es ob es dabei darum geht, demjenigen beim Tragen zu helfen oder ihn auf dem Weg zu beschützen, wissen wir nicht – vielleicht beides – aber auf jeden Fall geht es darum, etwas mehr zu geben als gefordert.

Und genau das passiert hier: Indem eben nicht ein Gremium, was paritätisch besetzt ist mit jüdisch sprechenden und griechisch sprechenden Christen, sondern eben gerade 7 griechische Christen damit beauftragt werden, für die diakonischen Belange zu sorgen.

Diese Arbeitsteilung scheint aber schon bald anders zu funktionieren, als geplant. Der erste Diakon Stephanus fängt sofort an, vor griechischen Juden zu predigen und weist ihnen sehr überzeugend nach, das Jesus der von Gott gesandte Messias ist. Und der griechisch sprechende Teil der Gemeinde wächst unübersehbar, während der jüdische Teil immer unbedeutender wird.
Für Lukas ist das alles ein deutlicher Beweis, dass diese Entscheidung gut war, die Gemeinde wächst und breitet sich von Jerusalem in den nächsten Jahren im ganzen griechischen Kulturkreis aus.


Nachspiel


Aber was ist, wenn wir auf diese Entscheidung aus heutiger Sicht blicken. Dazu habe ich Herrn Lukas auf der Terrasse von Wolke 13 im Himmel interviewt.

Reporter: Guten Morgen Herr Lukas. Schön haben Sie es hier oben. Sie haben uns damals die Geschichten der ersten Apostel aufgeschrieben. Herr Lukas, wenn sie heute überdenken, was sie damals über die Auseinandersetzung zwischen den hebräischen Christen und den griechischen Christen geschrieben haben, war das doch nicht etwas zu positiv dargestellt?

Lukas: Ja – ich bitte Sie – haben sie doch etwas Nachsicht, damals war die Sache schon fast 40 Jahre her. Ich wollte eigentlich nur meinem Freund Timotheus erzählen was damals passiert ist und habe es aufgeschrieben. Hätte ich gewusst, dass dies später der einzige Bericht über diese Zeit sein wird und 600 Millionen Christen auf keine andere Quellen zurückgreifen können, dann hätte ich mich vielleicht doch noch etwas genauer informiert.
Aber es war ja schwierig, ich bin ja im griechischen Kulturkreis aufgewachsen, ich kannte kaum einen von denen, die sich hebräische Christen nannten.

Reporter: Und trotzdem, war es nicht schon erkennbar, dass dadurch sich die Gemeinde stark verändern würde?

Lukas: Ich war doch kein objektiver Berichterstatter sondern auch selber betroffen. Ohne das Ergebnis, nämlich ohne dass das Christentum in dem griechischen Kulturkreis vorgedrungen wäre, hätte ich ja wahrscheinlich nie etwas von Jesus erfahren. Ich verdanke doch mein Leben dem, was damals geschehen ist. Da kann man nie nur objektiver Berichterstatter bleiben. Haben Sie Verständnis, dass ich es damals ganz positiv aufnahm. Es war eine gute Entscheidung die getroffen wurde. Die benachteiligten wurden unterstützt. Und es war eine gute Entwicklung, weil das Christentum dadurch in die ganze Welt in die ganze griechisch sprechende Welt getragen werden konnte.

Reporter: Und aus heutiger Sicht, wie sehen sie es, dass es kaum noch Juden gibt, die sich zu Jesus Christus bekennen und der eine Teil der damaligen Gemeinde praktisch bedeutungslos geworden ist?

Lukas: Wenn ich geahnt hätte, dass mit dem Siegeszug des Christentums unter Kaiser Konstantin das Verbot des jüdischen Glaubens und danach die Verfolgungen der Juden begonnen hätten, hätte ich das sicher anders gesehen. Denn wenn es zu dieser Zeit noch so bedeutsame Gemeinden, wie die von Jakobus, dem Bruder von Jesus geleitete jüdisch-christliche Gemeinde in Jerusalem gegeben hätte, wäre ein Verbot des jüdischen Glaubens kaum vorstellbar gewesen.

Reporter: In den christlichen Glaubensbekenntnissen kommen Abraham, Moses, David und die Propheten nicht vor. War das nicht auch eine Auswirkung der damaligen Ereignisse?

Lukas: Die christlichen Glaubensbekenntnisse wurden für den griechischen Kulturkreis formuliert. Die christlichen Juden können damit sicher wenig anfangen und merken, dass ihnen ein Teil ihrer Glaubensgeschichte vorenthalten wird, nämlich der Sinaibund Gottes mit seinem Volk.

Reporter: Auch die Trennung von Lehre und Diakonie geht auf die damalige Entscheidung zurück. War das immer sinnvoll?

Lukas: Nein, im Rückblick auf fast 2000 Jahre Kirchengeschichte muss man erkennen, dass der Umgang mit Geld zum Kern der Lehre gezählt werden muss und nicht unabhängig davon bleiben darf. Eine Diakonie, die nur die Versorgung der Menschen und nicht ihr gesamtes Heil im Blick hat, verfehlt ihr christliches Anliegen. Damals war es wichtig, die Benachteiligten zu unterstützen, aber die Strukturreform, die damals begann, war kein guter Weg. In meinem Evangelium habe ich deshalb damals die Geschichte vom barmherzigen Samariter und die von Maria und Martha direkt hintereinander gebracht. Gottes Wort hören und tun gehören immer direkt zusammen.

Reporter: Herr Lukas, was würden Sie uns denn heute für unsere Streitfragen in der Kirche empfehlen?

Lukas: Gerechtigkeit schaffen und Notdürftige zu unterstützen ist sicher richtig  und notwendig, aber bei Strukturreformen sollte man genau hinsehen: Sie wirken sich vielleicht noch in 100 oder 1000 Jahren aus und man sollte dringend versuchen die Probleme aus allen verschiedenen Richtungen zu betrachten und die Auswirkungen für alle Gruppen von Menschen auf dieser Welt in den Blick zu nehmen.

Reporter: Herr Lukas, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Und der Friede Gottes, der höher ist als es unser Verstand begreift, bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn. Amen.